Fachtag zum Thema „Yeziden“ war ein voller Erfolg
Verden (hc).
Letzte Woche fand ein vom Landkreis Verden und der Polizeiinspektion Verden/Osterholz organisierter Fachtag zum Thema „Yeziden – Historie, Situation in Deutschland, mögliche Problemlagen…“ statt. Es waren Vertreter der Landesschulbehörde, des Jugendamtes, des Landkreises, der Stadt, der Justiz, von Schulen und Beratungsstellen und Polizisten und Polizistinnen in den Kreistag des Landkreises Verden eingeladen.
„Zusammenleben bedeutet nicht nur räumliche Nähe, sondern auch das Zusammentreffen verschiedener Kulturen. Damit dies zu einem möglichst konfliktfreien Erleben wird, ist es wichtig, viel über die jeweils andere Kultur zu wissen“, so Uwe Jordan in seinen einleitenden Worten. Diesem Gedanken Rechnung tragend hat sich die Polizeiinspektion Verden/Osterholz der Thematik „Vertiefung und Weiterentwickelung der Interkulturellen Kompetenz“ innerhalb der eigenen Mitarbeiterschaft verschrieben. Bereits in der Vergangenheit entwickelte die Polizeiinspektion Verden/Osterholz gemeinsam mit dem Landkreis und der Stadt Osterholz-Scharmbeck ein entsprechendes Fortbildungsangebot für Verwaltungsmitarbeiter/-innen und Polizisten und Polizistinnen. In diesem Jahr wird dieses Angebot analog im Landkreis Verden umgesetzt. Darüber hinaus sucht die Polizei im Sinne des gegenseitigen Kennenlernens seit nunmehr drei Jahren den Kontakt zu örtlichen Gruppen mit unterschiedlichem Migrationshintergrund. Am vergangenen Mittwoch nun fand der erste Fachtag statt. Bis zu 80.000 Menschen yezidischen Glaubens leben in Deutschland, ein großer Teil davon in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Ein Teilnehmerkreis von 150 Personen verfolgte die interessanten Vorträge.
Die Referentin Gülcan Düman vom Yezidischen Forum Oldenburg e.V. berichtete einleitend über Grundsätzliches zur Yezidischen Religion und deren Historie.
Fulya Kurun informierte über das Thema „häusliche Gewalt“ im Allgemeinen und im yezidischen Umfeld. Frau Kurun ist im interkulturellen Dienst der Zentralen Polizeidirektion Hannover tätig. Mit ihrer Mediationsarbeit verfolgt sie unter anderem das Ziel, für Beteiligte im Rahmen häuslicher Gewalt tragbare Kompromisse zu erreichen, um so eine Eskalation der Situation zu vermeiden. Neben ihrer Mediationstätigkeit gibt Frau Kurun als Referentin bei der Polizeiakademie Niedersachsen ihr umfangreiches Wissen in diesem Themabereich im Rahmen zentraler polizeiinterner Fortbildung an Polizeibeamte und Polizeibeamtinnen weiter.
Über das Thema „Gemeinsam gegen Zwangsheirat“ referierte Yildiz Demirer. Frau Demirer ist vom Niedersächsischen Krisentelefon GEGEN Zwangsheirat – Kargah e.V. Zwangsheirat sei sicher kein rein yezidisches Phänomen, so Frau Demirer, trotzdem trifft dieses Problem durchaus in nicht unerheblichem Ausmaß Angehörige der yezidischen Religion. Die mehrsprachigen Mitarbeiter des Krisentelefons (0800/0667888) geben ihren Rat an „jede Frau“ und „jedermann“ vertraulich und unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Religion und Kultur weiter. Anschließend stellte der 22-jährige angehende Lehrer und Jugendreferent der Yezidischen Gemeinde Osterholz e.V. , Herr Mizgin Ciftci, das Projekt „JugendPotenziale in Osterholz stärken“ vor. Das Projekt ist offen für alle jungen Bürger der Stadt und beinhaltete unter anderem ein Modul zur Gewaltprävention. Den Abschluss der Vortragsreihe bildete der 28-jährige Deniz Tuac aus Verden, der am Domgymnasium sein Abitur machte, anschließend Rechtswissenschaften studierte und nun angehender Jurist ist. Herr Tuac berichtete von seinem bisherigen Leben und sicherte sich durch seine herzliche, offene und humorvolle Art die Sympathie der Zuhörer.
Der Fachtag endete mit einer durchaus lebhaften und zum Teil kontroversen Diskussionsrunde. Alle Referentinnen und Referenten nahmen an dieser Diskussionsrunde teil, die durch Frau Behye Tolan (seit 15 Jahren als Frauenbeauftragte im Yezidischen Forum e.V. in Oldenburg tätig) verstärkt wurde. Es kristallisierte sich schnell als Schwerpunktthema das „Endogamiegebot“ heraus, welches den gläubigen Yeziden auferlegt, sich nur innerhalb ihrer Glaubensgemeinschaft ihre Ehepartner zu wählen. Ein Gebot, das vor Jahrhunderten im Yezidentum eingeführt wurde, aber nicht religiös begründet ist, sondern für die Gläubigen und ihre Religion als elementarer Schutz vor Verfolgung diente und dient. Diese Tradition gilt auch heute im Yezidentum. Für junge Yeziden, die in der Sicherheit und Religionsfreiheit von Europa bzw. Deutschland aufgewachsen sind, kann die Beachtung dieses Gebotes zu erheblichen Konflikten mit ihrer ansonsten gern gelebten Religion führen. Diese Konflikte wirken sich auf die gesamte Familienstruktur aus. In Einzelfällen gipfeln sie in der Anwendung häuslicher Gewalt und damit in der Begehung von Straftaten.
Von den anwesenden Referentinnen und Referenten wurde diese Problematik in keiner Weise bestritten oder schön geredet, alle bekannten sich persönlich ausdrücklich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung. Dem Ziel, Unsicherheiten im Umgang mit dem „Anderen“ abbauen zu helfen, in dem Wissen über das „Fremde“ vermittelt wurde, sind die Teilnehmer des Fachtages sicher ein Stück näher gekommen. Ebenso dürfte für den Wunsch nach einer Netzwerkbildung aller mit dem Thema Integration befasster Behörden und Institutionen ein erster Schritt gelungen sein. Sehr hilfreich wurde von vielen Teilnehmern das konkrete Hilfsangebot der Referentinnen und Referenten empfunden, in Einzelfällen und Konfliktfällen allen Ratsuchenden zur Seite zu stehen.